Ein typischer Arbeitstag von Johannes Becher spielt sich üblicherweise in Ausschuss- und Plenarsitzungen, bei Gesprächen mit Expert*innen und Fachverbänden und im Büro ab. Doch das ändert sich in der letzten Woche vor der Sommerpause: da geht Becher traditionell eine Woche lang wandern und trifft die Menschen vor Ort.
Während Becher, der für die Grünen im Bayerischen Landtag sitzt, in den letzten Jahren in seinen Betreuungslandkreisen Freising, Pfaffenhofen und Erding unterwegs war, führte ihn die Wanderung diesmal quer durch Oberbayern. Seine mittlerweile vierte Tour startete in Scharnitz und verlief immer entlang der Isar bis zu Bechers Heimatstadt Moosburg. Ziel der Wanderungen ist es, Land und Leute auf ganz besondere Weise kennenzulernen und sich mit ihren Lebenssituationen zu befassen. „In meiner Arbeit als Abgeordneter spreche ich tagtäglich mit den unterschiedlichsten Expert*innen zu bestimmten Themen. Die Begegnungen auf meinen Wanderungen sind praktisch die Expertengespräche für die Region,“ so Becher.
Schon der erste Tag begann in diesem Jahr mit einer Herausforderung: aufgrund der Starkregenfälle und dem damit einhergehenden Hochwasser wurde die Straße zwischen Krün und Vorderriss mit Wasser unterspült und war nicht begehbar. Becher und sein Wanderkollege Bernhard Hrodek, der auch schon bei den ersten drei Wanderungen dabei war, mussten kurzfristig eine andere Route nehmen – und lernten die Isar als den Wildfluss, der sie überall einmal war, kennen. Dort, zwischen der Quelle und dem Sylvensteinspeicher, ist die Isar zwar noch sehr naturnah, aber auch nicht mehr unberührt. In Krün wird Wasser zum Walchenseekraftwerk abgeleitet. „Jeder Eingriff in die Isar bringt Herausforderungen mit sich, die nicht zu unterschätzen sind“, weiß Becher nach Gesprächen mit Vertreter*innen der unterschiedlichsten Interessenverbände, wie zum Beispiel Kraftwerksbetreibern, dem Fischereiverein oder dem Verein „Rettet die Isar“.
Nach der ersten anstrengenden Etappe zeigt sich die Isar von ihrer schönsten Seite: als eines der wichtigsten Naherholungsgebiete für die Menschen südlich von München. „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Isar für nachfolgende Generationen zugänglich machen und sie gleichzeitig schützen können. Es gibt viele gute Ideen im Bereich nachhaltiger Tourismus, die es zu unterstützen lohnt“, kann Becher nach einem Austausch mit dem Deutschen Alpenverein zum Thema Mountainbike, dem Straßenbauamt zu einem fehlenden Radweg, dem Landesfischereiverband, dem Verein „IsarLust“ und regionalen Politiker*innen bestätigen. Doch auch der Schutz der Erholungssuchenden ist ein wichtiges Thema. „Natürlich darf bei einer Isar-Wanderung der Besuch bei der Wasserwacht nicht fehlen. Unsere Blaulichtorganisationen leisten selbstlose und unersetzbare Arbeit, die man unbedingt als solche würdigen muss.“
Auch historisch hat die Isar einiges zu bieten. In Mittenwald besuchte Becher einen Geigenbauer mit langer Tradition, in Wolfratshausen traf er sich mit einer der letzten Flößerfamilien, die seit mehreren Generationen die Isar befahren. Ursprünglich als Transportmittel genutzt, wurden die Flößer*innen in den letzten Jahren immer mehr zu einem Freizeitangebot. „Besonders beeindruckt hat mich der Erinnerungsort BADEHAUS in Waldram. Der Ort war früher das Lager Föhrenwald. Zunächst wurden dort in der NS-Zeit Zwangsarbeiter*innen untergebracht, nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der fünfziger Jahre das „letztes europäische Stetl“ für sogenannte „Displaced Persons“. Mit unglaublich viel ehrenamtlichem Engagement wurde hier eine sehr beeindruckende Erinnerungsstätte errichtet, die bewegende Berichte von Zeitzeug*innen, eine eindrucksvolle Ausstellung und auch kulturelle Veranstaltungen und Begegnung beinhaltet.
Eine Station in seinem Heimatlandkreis hat Becher besonders überrascht. Seit vielen Jahren betreut der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hallbergmoos in einem ehemaligen Kieswerk Brutstätten für Uferschwalben. „Diese Größenordnung des Projekts hätte ich nicht erwartet. Hier sind dank der Brutröhren tausende von Jungvögeln geschlüpft. Das ist ein groβer Erfolg für den Artenschutz und zeigt den leidenschaftlichen Einsatz der Menschen, die hinter dem Projekt stehen“, zeigt sich Becher beeindruckt. Ein gelungenes Beispiel für ein gutes Zusammenspiel von Mensch, Tier und Natur ist auch das Weideprojekt in der Pupplinger Au. In den Schneeheide-Kiefernwäldern grast eine Herde Kühe, die durch ihre Anwesenheit den wertvollen Magerrasen und die Kalkflachmoore erhalten.
Weitere interessante Stationen waren auch der Besuch des Tierheims in Neufahrn, das Gespräch mit Bio-Bauer Sepp Braun in Dürneck, die Reinigung des Abwassers in der Kläranlage in Mintraching, die Zukunft der E-Mobilität im Autohaus Müller in Achering oder die Geschichte des Isarkindl-Bieres im Sammamehra in Freising.
„Mein persönliches Highlight der Wanderung war mein Besuch in Sachsenkam“, erzählt Becher. Dort traf er sich mit dem Bürgermeister der Gemeinde, Andreas Rammler. Ihn lernte Becher vor 15 Jahren als Musiker auf dem Moosburger „Red Corner Festival“ kennen. „Ich glaube, keiner von uns beiden hätte damals gedacht, dass wir uns Jahre später als Bürgermeister und Abgeordneter treffen und uns mit seinem Gemeinderat austauschen“ lacht Becher. Dabei sei genau das der Geist der Kommunalpolitik, findet Becher: sich einfach mal zusammensetzen, Ideen diskutieren und dann eine gute Umsetzung für die eigene Gemeinde finden.
„Gerade der obere Bereich der Isar hat mich sehr beeindruckt“, resümiert Becher. „Die Isar ist ein Wildfluss, das darf man nicht vergessen. Sie ist nicht endgültig zu bändigen, auch wenn wir Menschen oft versucht haben, die Isar in ihre Ufer zu weisen. Die Isar braucht Raum. Auf dem letzten Abschnitt der Wanderung zwischen Freising und Moosburg sieht man ja Erfolge der Renaturierung und dieser Prozess muss weitergehen.“, betont Becher. Gelohnt hat sich die Tour aus seiner Sicht auf jeden Fall: „Das waren 220 herausfordernde, aber sehr anregende Kilometer. So besondere Einblicke in die konkreten Lebenssituationen der Menschen erhält man sonst nicht oft. Gerade entlang der Isar gibt es unglaublich viele interessante und bewegende Projekte, Menschen und Gemeinschaften. Es ist schon etwas Besonderes, wenn Land und Leute von einem Gewässer wie der Isar geformt werden“, so Becher.
Auch nächstes Jahr plant Becher wieder eine Wanderung. Politik soll nicht nur im Rathaus, Land- oder Bundestag stattfinden, sondern genau dort, wo ihre Auswirkungen zu spüren sind: vor Ort bei den Menschen.