Der Kommunalausschuss des Landtags hat heute über weitreichende Rechtsänderungen für Gemeinden, Landkreise und Bezirke beraten. Freie Wähler und CSU haben Vorschläge gemacht, die das Zeug haben, die Arbeit in den Kommunalparlamenten erheblich zu verändern. Der Gesetzentwurf ist mit heißer Nadel gestrickt. Er enthält einen guten Ansatz, an manchen Stellen aber auch Schwächen und vor allem viele Frage für den Vollzug in der Praxis.

Was soll sich ändern?

  1. Gemeinden, Städte, Landkreisen und Bezirken soll es möglich sein „hybride Sitzungen“ durchzuführen. Mindestens die Sitzungsleitung muss in Präsenz anwesend sein, die Mitglieder können zugeschaltet werden.

  • Wer entscheidet das? Die Kommune trifft die Entscheidung zu hybriden Sitzungen mit 2/3-Mehrheit.

  • Wer darf zugeschaltet werden? Ob alle oder nur ein Teil des Gremiums, ob mit oder ohne Sachgrund – das alles entscheidet die Kommune selbstständig.

  • Wichtig: Alle Sitzungsteilnehmenden müssen sich während der Sitzung akustisch und optisch wahrnehmen können.
    Aber: Was passiert, wenn das nicht geht? Weil man im Raum nicht jeden sieht, weil die Kamera ausgeschaltet wird, weil die Kamera wegen Verbindungsproblemen ausgeschaltet werden muss? à Diese Muss-Vorschrift ist problematisch. Unser Lösungsvorschlag wurde abgelehnt.

  • Was passiert, wenn die Verbindung abbricht? Dann muss geprüft werden, in wessen Verantwortung der Verbindungsabbruch liegt. Wenn es in der Verantwortung der Gemeinde liegt oder liegen kann, dann muss die Sitzung unterbrochen werden und das geklärt werden.
    Wenn die Sitzung bei allen Zugeschalteten funktioniert und nur bei einer Person ein Problem auftritt, dann geht man davon aus, dass es wahrscheinlich an der Einzelperson liegt.

  • Problem: Es fehlen noch nähere Konkretisierungen, wie sich das auswirkt, wenn hinterher auffällt, dass der Fehler vielleicht doch bei der Gemeinde lag. Derzeit könnten dann die Beschlüsse alles hinfällig werden und das kann ja auch nicht das Ziel sein. Die kommunalen Spitzenverbände hatten hier weitergehende Vorschläge gemacht, die aber abgelehnt wurden.

  • Gibt es auch rein digitale Sitzungen? Nein. Das hatten wir beantragt. Wir möchten, dass den Kommunen die Möglichkeit (nur die Möglichkeit!) eröffnet wird, wenn alle Gemeinderatsmitglieder dafür sind, wenn ein Livestream angeboten wird und der Livestream auch öffentlich in einem Raum übertragen wird. Leider traut man sich das einfach nicht.

  1. Ob Bürgerversammlungen 2021 stattfinden, steht im Ermessen des 1. Bürgermeisters. Sie müssen dann ggf. 2022 nachgeholt werden.

  1. Bürgerentscheide können 2021 auch ausschließlich als Briefwahl durchgeführt werden.

  1. Die Ferienausschüsse auf Gemeindeebene werden von sechs Wochen auf drei Monate verlängert. Danach können beschließende Ausschüsse für jeweils drei Monate eingesetzt werden, die die gleichen Rechte wie Ferienausschüsse haben werden. Das soll bis maximal 31.12.2021 möglich sein oder bis der Bundestag die epidemische Lage von nationaler Tragweite aufhebt.

    Problem: Kleine Gruppierungen, die nicht im Ferienausschuss vertreten sind, werden damit in massiver Weise von der Beschlussfassung ausgeschlossen. Ob das rechtlich haltbar ist, halte ich für fraglich. Es ist auf jeden Fall extrem bitter für kleine Gruppen.

    Die Ausweitung der Ferienausschüsse finde ich noch in Ordnung, aber die darüber hinaus gehende Regelung sehe ich sehr kritisch. Mein Kompromiss wäre die Anknüpfung an den landesweiten Katastrophen-Fall in Bayern, der deutlich früher wieder aufgehoben werden dürfte als der Bundestag die epidemische Notlage aufhebt. 

Ich habe heute intensiv zusammen mit den anderen Fraktionen im Kommunalausschuss des Landtages über diese Vorschläge diskutiert. Wir Grüne finden es gut, dass es den Rät*innen endlich ermöglicht werden soll, in Zeiten der Pandemie Entscheidungen notfalls leichter zu treffen. Meine Devise ist dabei immer: Wir brauchen Lösungen, die rechtssicher und in der Praxis gut durchführbar sind. Genau darauf habe ich heute geachtet und auf die Schwachstellen bei den geplanten Änderungen hingewiesen.

Leider wurden unsere Änderungsanträge für mehr Rechtssicherheit, für die Möglichkeit von reinen Videositzungen und für eine geringere Einschränkungen der kleinen Gruppen abgelehnt. Wir haben uns daher – aufgrund von Licht und Schatten im Gesetz – im Ausschuss enthalten.

Das Plenum des Landtages entscheidet abschließend nächste Woche über die heute beratenen Anträge.