Berichte des Sozialministeriums im Sozialausschuss

Akuter Fachkräftemangel und unattraktive Rahmenbedingungen sind die beiden großen Herausforderungen, vor denen die frühkindliche Bildung in Bayern derzeit steht. Und auch zukünftig werden neue Herausforderung, wie z.B. der Ganztagesanspruch für Grundschulkinder und die Aufnahme von geflüchteten Kindern aus der Ukraine, das Bildungs- und Betreuungssystem zusätzlich belasten. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat ein „Bündnis für frühkindliche Bildung in Bayern“ mit zwei Facharbeitsgruppen (FAG) „Kita 2050“ und „Fachkräfte“ eingerichtet, um zu sondieren, wie mit diesen Problemlagen umgegangen werden muss und kann. Auf unseren Grünen Antrag hin hat das Ministerium am Donnerstag im Sozialausschuss über die Zwischenberichte der beiden Facharbeitsgruppen berichtet.

Als relevanteste Handlungsempfehlung der FAG „Kita 2050“ nannte der Ministeriumsvertreter die Finanzierungslücke im System der Betriebskostenförderung nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG), die nicht von allen Gemeinden gleichermaßen ausgeglichen werden kann. Dies führt dann zu unterschiedlichen Bildungschancen für die Kinder in den verschiedenen Einrichtungen, was auch im Nord-Süd-Gefälle des Personalschlüssels deutlich wird.     Um diese Finanzierungslücke zu schließen, müsste laut Zwischenbericht der FAG insgesamt die gesetzliche Förderung, die derzeit rund 60 % der Betriebskosten deckt, um mind. 30 % erhöht werden. Der Bericht der FAG betont auch, dass die Gesellschaft bereit sein muss, in frühkindliche Bildung mehr zu investieren: Frühkindliche Bildung ist die Basis für eine umfassende Bildung des Kindes, stellt die Weichen für die schulische und berufliche Bildung, ist ein entscheidender Beitrag zur Armutsbekämpfung, für den sozialen Frieden und die Fortentwicklung des (wirtschaftlichen) Standorts und der Gesellschaft. Der Ministeriumsvertreter betonte gegenüber dem Sozialausschuss aber auch, dass der Zwischenbericht der FAG bisher vor allem die Problemlagen identifiziert; konkrete Lösungsvorschläge müssten noch erarbeitet werden.

Als relevanteste Handlungsempfehlung der FAG „Fachkräfte“ nannte die Ministeriumsvertreterin die Entwicklung anschlussfähiger, beruflicher Weiterbildungskonzepte, um eine modulare Qualifizierung des Personals einschließlich Quereinsteiger*innen, von der Assistenzkraft bis hin zur staatlich anerkannten Fachkraft, zu ermöglichen. Ein solches Qualifizierungskonzept befindet sich bereits in der Ausarbeitung. Der aktuelle Stand wurde dem Sozialausschuss vom Ministerium vorgestellt: neue Module zur Ergänzungs- oder Fachkraft mit staatlicher Anerkennung sollen bis 2022 bzw. 2023 zur Verfügung stehen und dann auch in der Kinderbildungsverordnung (AVBayKiBiG) verankert werden. Die aktuelle Problematik der Unterscheidung von Fachkräften nach §16 Abs. 2 und nach §16 Abs. 6 soll in diesem Zuge der staatlichen Anerkennung aufgelöst werden. Über die verschiedenen Module soll sich eine Kindertagespflegeperson bis hin zur staatlich anerkannten pädagogischen Fachkraft berufsbegleitend weiterqualifizieren können. Das Selbstzahlermodell soll, wie bei den bisherigen Qualifizierungsmöglichkeiten, beibehalten werden. Sowohl die Möglichkeit zum direkten Einstieg in die verschiedenen Module bei entsprechender Vorbildung als auch die Anschlussfähigkeit an die berufliche Bildung (mit einem Vorbereitungsmodul zur Externenprüfung) sowie an die Hochschulbildung sollen sichergestellt werden.

Als Sprecher der Grünen Fraktion für frühkindliche Bildung und stellv. Vorsitzender der Kinderkommission des Landtags machte Johannes Becher im Anschluss an die Berichte vor allem eines deutlich: Allein der Horizont der „Kita 2050“ ist viel zu weit in die Zukunft gegriffen. In den Einrichtungen brennt es jetzt!“ Ans Ministerium richtete Becher die Frage, wie denn nun mit den Handlungsempfehlungen der FAGs umgegangen werden solle, zumal die identifizierten Problemlagen in keinster Weise neu seien. Stattdessen waren sie von den Grünen bereits in zahlreichen Anträgen thematisiert und konkrete Lösungsvorschläge eingebracht, von CSU und Freien Wählern jedoch stets abgelehnt worden:

  • eine Nutzung des Potenzials und die Weiterentwicklung der Kindertagespflege mit Ausbau der Fachberatung, Vernetzung, Qualifizierung, Vergütung
  • Ausbildungskapazitäten für den Erzieherberuf steigern, zusätzliches Lehrpersonal akquirieren
  • Studienplätze für Sozial- und Kindheitspädagog*innen ausbauen
  • Anreize schaffen, um Studienabsolvent*innen für die Arbeit in den Einrichtungen zu gewinnen
  • Zusätzliche Zeitkontingente für mittelbare pädagogische Tätigkeiten (Elterngespräche, Dokumentation) refinanzieren
  • Den Leitungs- und Verwaltungsbonus verstetigen

All das empfehlen die beiden Fachgruppen, all das wurde mit Grünen Anträgen mehrfach gefordert, all das wurde von CSU und Freien Wählern – teilweise bereits mehrfach – abgelehnt. Auch am Selbstzahlermodell für die Qualifizierungsmodule, das sich laut Ministerium bewährt hätte, äußerte Johannes Becher deutliche Zweifel: „Hier muss dringend investiert werden, um die Weiterbildung von pädagogischem Personal zu fördern und mögliche finanzielle Hürden abzubauen. Wir brauchen jede gut qualifizierte Fach- und Ergänzungskraft in den Einrichtungen!“

„Wir müssen handeln, denn die bisherige Verzögerungstaktik der Söder-Regierung trifft am Ende das überarbeitete Kita-Personal, die Eltern ohne Kitaplatz, die Kinder mit individuellem Förderbedarf, die Kommunen als Zuständige für die Umsetzung des Rechtsanspruchs und letztlich auch die Wirtschaft, weil schlichtweg Arbeitskräfte fehlen“, so Johannes Becher: „Mit Blick auf die Handlungsempfehlungen der Facharbeitsgruppen des Bündnis frühkindliche Bildung in Bayern müssen jetzt sofort zielführende, mehrgleisige Maßnahmen eingeleitet werden. Für eine gute frühkindliche Bildung für alle Kinder in Bayern braucht es eine dauerhafte Länderfinanzierung mit Schwerpunkt auf Personal und frühpädagogischer Qualität.“