Gastbeitrag in der Verbandszeitschrift des Landesverbands katholischer Einrichtungen (LVke) „Pädagogik Heute“
Im Frühjahr dieses Jahres fragte mich Petra Rummel, ob ich einen Beitrag für die vorliegende Fachzeitschrift zum Thema „Führung im Wandel der heutigen Zeit“ schreiben könne, also insbesondere mit Bezug zu einem politischen Kontext und unter dem Aspekt der Partizipation. Warum ich? Ein 33-jähriger grüner Landtagsabgeordneter in der ersten Wahlperiode, der sich für eine gute frühkindliche Bildung, die Kommunen und die Verhinderung der 3. Start- und Landebahn am Münchner Flughafen einsetzt. „Ihr Büro ist anders und das merkt man“, meinte Frau Rummel. „Ist das so?“, fragte ich mich und wenn ja, „warum eigentlich?“. Eigentlich wende ich in meiner Führungsrolle doch nur das an, was ich im jahrelangen Umgang mit ausgebildeten Pädagog:innen im Rahmen der Jugendleiterausbildung und meiner ehrenamtlichen Arbeit in der Kinder- und Jugendarbeit erfahren habe. Aber jetzt erstmal
von vorne:
Führung ist kein Selbstzweck
Wer gut führt, hat die Chance aufzusteigen. Wer nur Führungspositionen bekleidet, um aufzusteigen, dem merkt man es an. In der Politik mag diese Form des Durchsetzens teilweise als Erfolgsmodell gelten. Mein Weg ist anders.
Am Anfang dieser Legislaturperiode im Bayerischen Landtag hatte ich ein leeres Büro und die Erfahrung von fünf Jahren Tätigkeit als Mitarbeiter eines Abgeordneten. Drei Monate später waren wir zu viert: Selina Winkler, Laura Oberjatzas und Verena Juranowitsch. Drei starke Frauen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Persönlichkeiten. Das ist mein Team und nur gemeinsam haben wir Erfolg. Wir haben daher auch gemeinsam die Ziele meiner Landtagsarbeit definiert. Es ist nicht allein mein Ziel, die gute Kita in Bayern endlich Realität werden zu lassen, sondern unseres. Es ist nicht allein mein Ziel, das Vertrauen der Menschen zu rechtfertigen, sondern unseres. Und dafür sind wir gemeinsam bereit, mit Herzblut
und Leidenschaft zu arbeiten. Dieser Spirit ist die Grundlage für alles was folgt.
Führung sucht Kompetenz
Ich fühle mich wohl in einer Gruppe, die mich fordert, die mir widerspricht, die in Frage stellt, um dann den gemeinsam für richtig befundenen Weg entschlossen – auch gegen Widerstände von außen – zu gehen. Geht denn alles gemeinsam? Ich bin der Chef und als Abgeordneter verantwortlich für die Arbeit und die Entscheidungen des Teams. Im Übrigen vor allem den Wähler:innen gegenüber. Die letztendliche
Entscheidung verbleibt also bei mir, aber ich mache sie mir so leicht wie möglich, indem ich vorher die Kompetenzen meines Teams nutze.
Wir haben auch die Aufgaben im Büro einvernehmlich in einer Teamklausur verteilt. Das geht von der inhaltlichen Zuarbeit bei einzelnen Themen, der Recherche und der Vorbereitung von Ausschusssitzungen und Petitionen bis zur Kommunikation der politischen Arbeit und der Koordination der zahllosen Termine
und Mailanfragen. Wir haben im Team wechselseitig die Kompetenzen erkannt, die diversen Aufgaben mit ihrem Zeitbudget klar beschrieben und so war die Aufgabenverteilung für alle logisch und nachvollziehbar. Ist das Führung? Ich habe eine sehr kompetente Gruppe, die mit Freude die Aufgaben sehr gut erledigt, also ich finde: ja.
Führung braucht Flexibilität
Wir haben den Weg und die Aufgabenverteilung in den letzten vier Jahren noch drei bis viermal angepasst, denn das Leben ändert sich. Eine Pause wegen Schwangerschaft und Elternzeit, ein Wunsch um Veränderung der Stundenzahl, Homeoffice vor, während und nach Corona oder auch die Schwerpunkte und der Zeitbedarf einzelner Aufgabenfelder erfordern Anpassungen. Das ist nicht schlimm, sondern ganz normal. Mein Team besteht nicht aus untergeordneten Arbeitskräften, sondern aus Menschen mit einem Leben außerhalb ihres Jobs. Ich kenne meine Mitarbeiterinnen und ich weiß um ihr hohes Verantwortungsbewusstsein. Gleichzeitig muss die Work-Life-Balance passen, damit sie mir dauerhaft bleiben und ihre Leistung abrufen können. Das erfordert Flexibilität von der Urlaubsplanung bis zur genauen Arbeitszeit.
Aber ist es nicht so, dass in der immer schneller werdenden Welt alles eilig und sofort erledigt werden muss? Ich sage: Muss es (meistens) nicht. Es gibt in der Landtagsarbeit viele Dinge, die zügig und gut bearbeitet werden müssen. Vieles reicht aber morgen auch noch. Es ist bei der Mailflut elementar wichtig, sich nicht ständig von außen unter Druck setzen zu lassen. Wir bleiben ruhig, arbeiten zügig und priorisieren. Wir vermeiden Hektik.
Führung fördert und belohnt sich selbst
Kaffeekochen kann ich selbst und so sind Praktikant:innen bei mir bereits am ersten Tag in die inhaltliche Arbeit eingebunden. Die jungen Menschen können was, man muss sie nur lassen. Einen Antrag im Bayerischen Landtag zu schreiben, eine schriftliche Anfrage zu konzipieren oder eine kleine Veranstaltung zu konzipieren ist für sich genommen kein Hexenwerk. Politik ist die Arbeit für das Gemeinwohl zu Themen, die uns alle betreffen. Es ist leicht, hier Anknüpfungspunkte aus dem eigenen Leben zu finden.
Und damit es Qualität bekommt, braucht es Förderung. Durch meine frühere Mitarbeitertätigkeit konnte ich mein Team präzise einarbeiten und auch Praktikant:innen übernehmen Aufgaben, ohne damit allein gelassen zu werden. Hannah Link war Praktikantin bei mir und nach drei Tagen war klar, dass sie diesen Job kann. Einige Zeit später konnte ich sie für eine Elternzeitvertretung gewinnen und heute ist sie Werkstudentin in meinem Team. Mir konnte nichts Besseres passieren und so wurde ich für ein bisschen
Förderung um ein Vielfaches belohnt.
Förderung heißt für mich auch, im Team immer wieder zu besprechen, wo wir uns noch verbessern können. In der Gruppe, aber auch jede einzelne Person. Ein ehrliches Feedback ist bereichernd, bewegend und bringt uns weiter. Ich bin dankbar, dass es uns im Team gelungen ist, schonungslos ehrlich miteinander sein zu können. Das ist – gerade in der Politik – wahrlich keine Selbstverständlichkeit.
Ist mein Büro nun anders als andere? Vielleicht. Eigentlich wende ich in meiner Führungsrolle nur das an, was ich im jahrelangen Umgang mit ausgebildeten Pädagog:innen im Rahmen der Jugendleiter:innenausbildung und meiner ehrenamtlichen Arbeit in der Kinder- und Jugendarbeit
erfahren habe. Einen partnerschaftlich-demokratischen Führungsstil in den allermeisten Situationen, das Wissen um Gruppenphasen, das Bewusstsein für meine Aufgabe als Führung im Sinne der Gruppe und das Erkennen von Bedürfnissen der Gruppe und der Einzelpersonen sowie ihrer Kompetenzen. Ist es wirklich ein so großer Unterschied, ob man nun eine Jugendfußballmannschaft, ein Landtagsbüro oder einen Vorstand leitet? Die Grundprinzipien für gute Führung sind meines Erachtens überall sehr ähnlich. Jedenfalls habe ich von der gemeinsamen Arbeit mit Pädagog:innen deutlich mehr über Führung gelernt als in meinem Studium der Rechtswissenschaft. Wenn es in der Politik allerdings um die Besetzung von Führungspositionen geht, dann scheint ein juristisches Staatsexamen ein höheres Gewicht zu haben als eine Ausbildung zur/zum staatlich anerkannten Erzieher:in. Warum eigentlich?