Grüne Offensive für Kinderschutz und Kinderrechte
Die Herausforderung
Die Kindheit ist entscheidend für ein gutes Leben als Ganzes – sie ist ein Schlüssel zu Chancengerechtigkeit in unserem Land. Grundvoraussetzung ist ein Aufwachsen in Sicherheit. Nur so kann ein Kind wirklich Kind sein. Jedes Kind hat ein Recht auf Schutz vor physischer, seelischer, sexueller Gewalt oder Vernachlässigung. Auch in Bayern wird dieses Recht nicht allen Kindern zuteil. Immer wieder gibt es alarmierende Berichte über Gewalt und Übergriffe. 2019 wurden deutschlandweit so viele Kindeswohlgefährdungen gemeldet wie noch nie seit Einführung der Statistik. In Bayern wurden 2019 knapp 20.000 Fälle von Kindeswohlgefährdungen registriert, ein Plus von vier Prozent zum Vorjahr. Bei 67 Prozent war die Meldung begründet und führte zu weiteren Maßnahmen.
Viele Familien und Alleinerziehende sind oder waren durch die Corona-Krise auf sich allein gestellt, Alltagsstrukturen wie Kita, Schule oder Jugendhaus sind monatelang weggefallen, Hilfen von Außerhalb können oftmals nur eingeschränkt in Anspruch genommen werden. Wenn Risikofaktoren wie Suchtprobleme, psychische Erkrankungen, finanzielle Not oder Überforderung ohnehin schon Familien belasten, trägt die Corona-Krise zu einer weiteren Verschärfung bei. Kinder als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft sind dann oft die unsichtbaren Leidtragenden.
Für uns Grüne ist klar: Kinderschutz muss oberste Priorität genießen! Wir möchten den Kinderschutz in Bayern weiterentwickeln und bestmöglich aufzustellen – damit für alle Kinder in Bayern ein Aufwachsen frei von Angst und Gewalt möglich wird.
Status Quo des Kinderschutzes in Bayern
Unser grünes Antragspaket baut auf intensiven Expertengesprächen der vergangenen Monate auf: Anhörungen und Fachgespräche im Rahmen des Sozialausschusses des Bayerischen Landtags und der Kinderkommission mit Expertisen von Kinderschutzbund, Jugendämtern, des Bayerischen Jugendrings bis hin zur Kinder- und Jugendpsychiatrie und vielen mehr bilden unsere Grundlage. Zentrale Erkenntnis für Bayern: Mit unseren derzeitigen Kinderschutzstrukturen bewegen wir uns im gesamtdeutschen Vergleich im Mittelfeld. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen hinkt die (politische) Mitsprache und Beteiligung von unseren Kindern in Bayern meilenweit hinterher. Kinderschutz braucht aber genau das: die Bedarfe und Anliegen von Kindern müssen gehört und aufgenommen werden, unsere Kinder müssen gestärkt werden. Kinder und ihre Bedürfnisse müssen endlich die Priorität bekommen, die sie verdienen. Zum anderen ist Kinderschutz als Thema in der Öffentlichkeit unterrepräsentiert und wird oft als Privatsache von Familien eingeordnet. Kinderschutz ist jedoch Pflicht und Aufgabe aller!
Familie wird – gerade im traditionell geprägten „Familienland Bayern“ – in der allgemeinen Öffentlichkeit vor allem mit Harmonie, Geborgenheit und Vertrauen assoziiert. Die Realität sieht aber auch in Bayern teilweise anders aus: Überforderung der Erziehungsberechtigten, Suchtprobleme und Gewalt sind auch bei uns keine Seltenheit. Hier ist niemanden geholfen ein Außenbild von Familie als „heile Welt“ aufrecht so erhalten, sondern es braucht passgenaue Hilfen und keine Stigmatisierung von Familien, die sich Hilfe suchen. Gerade im Bereich der psychischen Gesundheit haben wir mit mangelndem Problembewusstsein und eklatanter Unterversorgung zu kämpfen.
Darüber hinaus fehlt uns der Überblick darüber, welche Strukturen bayernweit überhaupt existieren, wie sie verzahnt sind, welche Maßnahmen funktionieren und wie und vor allem von wem diese in Anspruch genommen werden. Wir fordern eine grundlegende Evaluierung des Kinderschutzes in Bayern von unabhängiger Stelle, die dann regelmäßig wiederholt wird – nur so schaffen wir eine gute Ausgangslage, um die Kinderschutzstrukturen zielgerichtet und wirksam weiterzuentwickeln.
Grünes Antragspaket
Wir Grüne bringen mit unserem Antragspaket zehn konkrete Lösungsvorschläge ein, wie wir mit unserem Kinderschutz zum bundesweiten Vorreiter werden und unseren Kindern in Bayern den Schutz verschaffen, den sie verdienen.
1. Kinderrechte in die Landesverfassung!
Die Stellung und Wahrnehmung von Kindern und ihrer Rechte muss in unserer Gesellschaft grundlegend gestärkt werden. Wir fordern die Aufnahme der Kinderrechte in die Landesverfassung. Wir wollen außerdem eine Verpflichtung zur Kinderbeteiligung verankern und das Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln festschreiben. Die Bayerische Verfassung würde endlich den Ansprüchen der UN-Kinderrechtskonvention gerecht.
2. Kinderschutzbeauftragte*n einsetzen!
Mit der Einberufung einer*s unabhängigen Kinderschutzbeauftragte*n sorgen wir für weitere Stärkung von Kindern auf politischer Ebene. Die Person erarbeitet Vorschläge, wie die verfassungsrechtliche Verpflichtung zu Kinderrechten, -Beteiligung und Vorrang des Kindeswohls im Freistaat konkret umgesetzt werden, bündelt die verschiedenen Strukturen des Kinderschutz in einem Netzwerk und trägt zu kindgerechten Zugänge bei Hilfsangeboten bei. Der regelmäßige Austausch mit Kindern als Experten in eigener Sache bildet die Grundlage seiner Arbeit.
3. Kampagne starten!
Wir brauchen ein stärkeres Kinderbewusstsein in unserer Gesellschaft. Viele Kindeswohlgefährdungen geschehen im Verborgenen und kommen jahrelang nicht ans Licht. Die Frage, wo aufmerksame Freunde, Nachbarn, Vertrauenspersonen für diese Kinder waren, stellt sich immer wieder. Wir Grüne möchten eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, die den Schutz von Kindern als Aufgabe und Pflicht aller verdeutlicht. Ziel ist eine gesellschaftliche Kultur des Hinsehens zu fördern und über konkrete Anlaufstellen für Hinweisgeber und Betroffene in Bayern zu informieren. Zudem möchten wir ab 2021 zum jährlichen Weltkindertag eine Themenwoche zum Kinderschutz ausrufen und bayernweit lokale Veranstaltungen und Aufklärungsarbeit finanziell fördern.
4. Starke Strukturen!
Kinderschutz braucht starke Strukturen – z.B. Beratungsstellen, Kinderschutzzentren – und das flächendeckend in Bayern. Es fehlt aber an einem Überblick welche Fachberatungsstellen für häusliche, psychische, physische oder sexuelle Gewalt überhaupt in Bayern existieren. Ob thematisch oder regional blinde Flecken bestehen, lässt sich daher nicht sagen. Zum anderen ist die Wirksamkeit existierender Kinderschutz-Maßnahmen nicht untersucht. Die Frage, ob Kinderschutz in Bayern insgesamt gelingt, lässt sich also gar nicht beantworten. Wir Grüne fordern eine grundlegende Evaluierung der Kinderschutzstrukturen in Bayern, um zielgerichtete Verbesserungen abzuleiten.
5. Kinderschutzreport Bayern!
Gelingender Kinderschutz braucht eine regelmäßige Weiterentwicklung, hier darf es kein Ausruhen geben. Wir fordern daher einen Kinderschutzreport für Bayern, der alle zwei Jahre Entwicklungen im Kinderschutz aufbereitet, Versorgungslücken identifiziert und Handlungsempfehlungen ausspricht. Dabei ist die Expertise des/der Kinderschutzbeauftragte*n und von Wissenschaftler*innen einzubinden.
6. Starke Kinder!
Kinder als Opfer von jedweder Gewalt müssen möglichst in die Lage versetzt werden, Anzeichen für Übergriffe und Missbrauch frühzeitig zu erkennen und dazu befähigt werden, Hilfe und Unterstützung aufzusuchen. Dazu müssen Präventionsprogramme wie „Trau Dich“ bayernweit ausgebaut werden. Die wichtigste Anlaufstelle bei Kindeswohlgefährdung, das Jugendamt, ist für Kinder selten eine Option. Wir Grüne möchten kindgerechte und schnelle Hilfe durch eine Kinder-App ermöglichen.
7. Starke Eltern!
Kinder sind vor allem innerhalb der eigenen Familie dem Risiko einer Kindeswohlgefährdung ausgesetzt – durch überforderte Eltern, Drogensucht, Trennungskonflikte sowie psychische Erkrankungen. Wir Grüne möchten die Stigmatisierung von Hilfesuchenden verringern und Zugangswege zu Beratungsangeboten – insbesondere für eher bildungsferne Familien sowie für Familie mit geringer Deutschkompetenz – vereinfachen. Dafür müssen wir in einem ersten Schritt wissen, wie die Bekanntheit und Inanspruchnahme von bestehenden Familien- und Erziehungsberatungsstellen in Bayern aussieht und fordern die Staatsregierung auf, hier Klarheit zu schaffen.
8. Starke Fachkräfte!
Fachkräfte, die mit Kindern arbeiten – Lehrkräfte, Sozialpädagogen, Familienrichter – müssen im Kinderschutz fit gemacht werden. Oft sind sie wichtige Vertrauenspersonen für Kinder und achtsame Beobachter. Ihre Aus- und Fortbildungen sehen teilweise aber gar keine entsprechenden Module vor. Wir Grüne möchten einen Überblick, in welchen Berufsfelder Lücken im Kinderschutz bestehen und diese schließen.
9. Starke Einrichtungen!
Ob bei den Pfadfindern, im Heim, im Sportverein oder in der Schule – Einrichtungen, in denen sich Kinder bewegen, brauchen wirksame Kinderschutz-Konzepte. Auch hier sind unsere Wissenslücken immens: wir wissen weder, in welchen Einrichtungen in Bayern Schutzkonzepte bestehen, noch ob diese in der Umsetzung funktionieren. Wir Grüne fordern hier eine grundlegende Evaluierung, um ausgehend von den Ergebnissen ein tragfähiges System für Kinderschutz in Einrichtungen abzuleiten.
10. Starke psychiatrische Versorgung!
Psychische Erkrankungen sind nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu-Thema – dementsprechend ist auch psychische Gesundheit als ein zentrales Feld des Kinderschutzes nicht im Fokus von Politik. Doch gerade in der psychiatrischen Versorgung in Bayern gibt es dringenden Nachholbedarf. Wir Grüne möchten ambulante Hilfen, Eltern-Kind-Tageskliniken ausbauen und besonders für Kinder psychisch kranker Eltern passgenaue Hilfestrukturen schaffen.