dpa Meldung
Sie werden beleidigt, verleumdet, bedroht: Immer öfter wurden
Kommunalpolitiker 2022 zum Ziel von Straf- und Gewalttaten. Mehr als
die Hälfte der Taten ist einer ganz bestimmten Szene zuzuordnen.
München (dpa/lby) – Die Zahl der Straftaten gegen Kommunalpolitiker
hat in Bayern im vergangenen Jahr erneut drastisch zugenommen. Das
geht aus Antworten des Innenministeriums auf Landtags-Anfragen der
Grünen hervor. Demnach wurden im Jahr 2022 insgesamt 362 Straftaten
gegen kommunale Amts- und Mandatsträger gezählt, nach 267 im Jahr
zuvor. Das bedeutet somit ein Plus von fast 100 Fällen oder 35
Prozent. Unter den registrierten Straftaten waren 69 Gewaltdelikte
mit 79 Opfern. 214 Straftaten, also deutlich mehr als die Hälfte,
wurden von sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern begangen.
Unter den Straftaten waren zahlreiche Fälle von Beleidigung, übler
Nachrede und Verleumdung (87 Fälle), von Nötigung (125), Bedrohung
(28) und Sachbeschädigung (7). Bei den Gewaltdelikten handelte es
sich meist um Erpressung (67 Fälle). Einmal war es Brandstiftung,
einmal gefährliche Körperverletzung: Hier verschüttete ein Täter
Buttersäure. 86 Straftaten erfolgten laut Ministerium via Internet,
über E-Mails, Beiträge in sozialen Netzwerken oder Kommentarspalten.
Der kommunalpolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Johannes Becher,
nannte die Zahlen «vermutlich erst die Spitze des Eisbergs». «Die
Verrohung von Teilen der Gesellschaft in Form von verbalen und
tätlichen Angriffen gegen Menschen, die sich für das Gemeinwohl
engagieren, sind eine Bedrohung und ein Angriff auf unsere
Gesellschaft und auf die Demokratie», sagte er. Nötig seien ein
entschiedenes Vorgehen gegen sogenannte Reichsbürger sowie mehr
Schutz und Unterstützung für engagierte Menschen, die aufgrund ihrer
Tätigkeit für die Gesellschaft angegriffen würden. «Wenn wir der
Verrohung der Gesellschaft keine Grenzen setzen, dann werden aus
immer schärferen Worten noch mehr Taten», warnte Becher.
Bei 294 der 362 Straftaten konnten laut Ministerium insgesamt 311
Tatverdächtige ermittelt werden. Darunter waren 208 männlich und 103
weiblich. Die Mehrzahl war zwischen 44 und 53 Jahre (116 Personen)
beziehungsweise zwischen 54 und 63 Jahre alt (95 Personen).
Das Innenministerium verurteile sämtliche Taten scharf. «Kommunale
Wahlbeamte und Personen, die – meist ehrenamtlich – die über
39 500 kommunalen Ämter und Mandate in den Gemeinden, Städten,
Landkreisen und Bezirken bekleiden und damit wichtige Aufgaben im
Interesse des Gemeinwohls übernehmen, verdienen für ihr Engagement
besonderen Respekt», heißt es in einer Antwort des Ministeriums.
«Beleidigungen, Bedrohungen, Hass, Hetze oder gar Gewalttaten sind
keine Mittel der politischen Auseinandersetzung. Jede Form einer
Einflussnahme und Einschüchterung gegenüber Amts- und Mandatsträgern
oder deren Angehörigen und Familien ist zu verurteilen.» Angriffe auf
Amts- und Mandatsträger seien immer auch Angriffe auf die Demokratie.
Ein Online-Meldeverfahren für Amts- und Mandatsträger für
Online-Straftaten wird laut Ministerium rege benutzt. Bis 15. Februar
2023 seien bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und
Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München bereits
181 Prüfbitten eingegangen (Vorjahr: 140). In 152 (Vorjahr: 113)
Fällen wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zuletzt hatte das Landeskriminalamt Zahlen zu Straftaten gegen
Politiker aus dem ersten Halbjahr 2023 mitgeteilt – aber nicht auf
Kommunalpolitiker beschränkt. Einer vorläufigen Auswertung zufolge
verzeichnete die Polizei bis Juni gut 300 Strafanzeigen wegen Taten
gegen Amts- und Mandatsträger sowie Parteirepräsentanten. Im gesamten
Jahr 2022 waren es knapp 1150 Strafanzeigen gewesen.