Johannes Becher stellt Anfrage an Staatsregierung
„Warum hat sich die Staatsregierung – im Gegensatz zu vielen anderen Lebensbereichen vom öffentlichen Nahverkehr, zur Schule bis teilweise dem öffentlichen Raum – gegen eine Maskenpflicht in Sitzungen kommunaler Gremien entschieden, ist diesbezüglich eine Änderung geplant
und inwiefern darf ein kommunales Gremium für Sitzungen der Gemeinderäte, Kreistage, Bezirkstage oder ihrer Ausschüsse eine Maskenpflicht für alle Anwesenden der Sitzungen beschließen
(bitte Rechtsgrundlage angeben) und bei Verstößen auch durchsetzen, insbesondere im Rahmen der Handhabung der Ordnung und des Hausrechts.“
Staatsminister Joachim Herrmann antwortet:
Sitzungen kommunaler Gremien sind als Teil der staatlichen Exekutive grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) ausgenommen.
Das obligatorische Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist für die Mitglieder kommunaler Gremien während der Sitzung im Sitzungsraum daher nicht abstrakt-generell geregelt.
Anders ist dies auf Begegnungs- und Verkehrsflächen von öffentlichen Gebäuden, also beispielsweise auf den Gängen des Rathauses oder im Vorraum des Sitzungssaals. Denn dort greift die Pflicht zu einer Mund-Nasen-Bedeckung nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 der 8. BayIfSMV. Es spricht zudem vieles dafür, auch abgrenzbare Zuhörerbereiche der Sitzungsräume als solche Begegnungsflächen anzusehen.
Unabhängig hiervon hat der Einzelne aber jedenfalls nach Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit und daher auch während einer Sitzung von gesundheitsgefährdenden Einwirkungen möglichst verschont zu bleiben. Soweit Anhaltspunkte gegeben sind, die
auch während der Sitzungen kommunaler Gremien die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung als notwendig und verhältnismäßig erscheinen lassen, ist eine solche Verpflichtung im Rahmen der Ausübung des Hausrechts durch den Vorsitzenden von Art. 53 Abs. 1 Satz 1 GO,
Art. 47 Abs. 1 Satz 1 LKrO, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BezO grundsätzlich gedeckt. Ordnungsgewalt und Hausrecht stehen ihm auch dann zu, wenn die Sitzung nicht in einem eigenen Raum stattfindet. Es handelt sich um ein Recht des Vorsitzenden, das das Hausrecht anderer Personen überlagert.
Die Anordnung einer Pflicht zu einer Mund-Nasen-Bedeckung gegenüber den Gremiumsmitgliedern bedarf zwar einer besonderen Abwägung, da sie deren mitgliedschaftliche Rechte berühren kann. Die Ausübung dieser Rechte dürfte aber jedenfalls dann nicht unzumutbar beeinträchtigt
sein, wenn andernfalls der gebotene Hygieneabstand von 1,5 Metern objektiv nicht eingehalten werden könnte oder sich aus sonstigen räumlichen oder örtlichen Gegebenheiten die Bedeckung zum Schutz vor Infektionen aufdrängt. Immerhin haben die Gremiumsmitglieder,
für die ein Sitzungszwang besteht, als Kehrseite der Teilnahmepflicht einen mitgliedschaftsrechtlichen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit.
Sofern durch die Wahl des Sitzungsortes sichergestellt ist, dass die Mindestabstände unter den Gremiumsmitgliedern jederzeit ohne weiteres eingehalten werden können, dürfte eine Vorgabe zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Sitzung grundsätzlich aber nicht erforderlich
sein. Gleiches gilt beispielsweise, falls zwischen den Sitzen transparente Trennwände aufgestellt sind, die eine Übertragung von Aerosolen ausreichend hindern. In diesen Fällen könnten die Gemeinderatsmitglieder grundsätzlich nur zum freiwilligen Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung aufgefordert werden.