Abschlussbericht zum Beschluss des Bayerischen Landtags vom 19.03.2020: „Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher modernisieren“ (Drs. 18/7010)

Kultusminister Piazolo berichtet in Abstimmung mit der Sozialministerin Trautner:

Seitens der Ausbildung soll nichts unversucht bleiben, über Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Erzieherausbildung sowie über neue Ausbildungswege zusätzliches Fachpersonal für den Bereich der Kinder und Jugendhilfe zu gewinnen, weshalb das Staatsministerium für Unterricht und Kultus (StMUK) – unter Einbeziehung des für das sozialpädagogische Arbeitsfeld zuständigen StMAS – entsprechende Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Erzieherausbildung entwickelt hat, um einen Beitrag zur Gewinnung von pädagogischen Fachkräften zu leisten. Im Rahmen der Zuständigkeit des StMUK wurden in einem Dialog mit den Fachakademien für Sozialpädagogik sowie deren Schulträger nachfolgende Maßnahmen diskutiert, die flexible Zugangs- und Ausbildungsmöglichkeiten ermöglichen und zur Attraktivität der Erzieherausbildung beitragen.

Der Dialog erfolgte mit den Schulträgern im Rahmen von drei Runden Tischen am 13. Februar und 23. Oktober 2020, sowie am 19. Januar 2021. Zudem wurde das Rahmenkonzept mit den Schulleitungen in Form von
Sitzungen mit der Vorstandschaft der Arbeitsgemeinschaft für die bayerischen Fachakademien für Sozialpädagogik (AGFakS) am 19. Dezember 2019 und am 3. September 2020, sowie über Videokonferenzen mit allen Schulleitungen bei der Vollversammlung der AGFakS am 10. und 11. November 2020 diskutiert und konzipiert. Zusätzlich ist das StMUK gemeinsam mit dem StMAS am 2. Dezember 2020 mit den Trägern und Verbänden der Kindertagesbetreuung in den Austausch getreten und hat am 6. Februar 2020 im Rahmen des „Bündnis für frühkindliche Bildung“ über die aktuellen Entwicklungen berichtet.

Das Konzept zur Weiterentwicklung der Erzieherausbildung sieht folgende drei Maßnahmen vor:

  1. Eine um ein Jahr verkürzte Ausbildungszeit für Personen mit
    mittlerem Schulabschluss

Ab dem Schuljahr 2021/2022 umfasst die Ausbildung zur Erzieherin / zum Erzieher für Personen mit einem mittleren Schulabschluss insgesamt vier (statt bisher fünf) Jahre.

Diese vier Jahre Gesamtausbildungsdauer setzen sich dabei zusammen aus

  • einer einjährigen Vorbildung („Sozialpädagogisches Einführungsjahr (SEJ)“),
  • einem überwiegend theoretischen Ausbildungsabschnitt von zwei Studienjahren an der Fachakademie sowie
  • einem daran anschließenden Ausbildungsabschnitt in Form eines von der Fachakademie begleiteten Berufspraktikums von zwölf Monaten.

Neu ist der Vorbildungsweg: Das bisherige, zweijährige Sozialpädagogische Seminar (SPS) wird durch ein einjähriges
Vorbildungsjahr ersetzt. Das neue SEJ ist auch künftig praxisintegriert organisiert und sieht weiterhin eine angemessene Vergütung vor. Die Höhe der Vergütung liegt im Zuständigkeitsbereich der Praxiseinrichtungen. Der Anteil an Unterricht sowie die Praxisbegleitung wird im Vergleich zur bisherigen, zweijährigen Vorbildungsform nicht reduziert, sodass die Ausbildungsqualität weiterhin erhalten bleibt. Bereits im Modellversuch „Erzieherausbildung mit
optimierten Praxisphasen (OptiPrax)“ wurden für diese Bewerbergruppe gute Erfahrungen mit der einjährigen Form der Vorbildung gemacht.

Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) wird im Frühjahr 2021 einen Lehrplanentwurf vorlegen, sodass bereits im Schuljahr 2021/2022 mit der einjährigen Vorbildung begonnen werden kann.

Das SEJ bietet vielfältige Anschlussmöglichkeiten: Sofern Schülerinnen und Schüler nach dem SEJ nicht die Aufstiegsfortbildung zur Erzieherin/ zum Erzieher weiterführen möchten, besteht für sie die Möglichkeit, nach
erfolgreichem SEJ in die 11. Klasse der Berufsfachschule für Kinderpflege einzusteigen oder die sogenannte Externenprüfung zu absolvieren. Somit ist eine Anschlussmöglichkeit an eine berufliche Erstausbildung gegeben
und es besteht wie bisher auch die Möglichkeit, innerhalb von zwei Jahren den Berufsabschluss „Staatlich geprüfte Kinderpflegerin“/ „Staatlich geprüfter Kinderpfleger“ zu erwerben, um als pädagogische Ergänzungskraft tätig zu sein.

Nach Abwägung der Argumente, unter Berücksichtigung der Einwände der Schulen, wird ein Nebeneinander beider Vorbildungswege (SPS und SEJ) nicht als zielführend erachtet. Die Alternative, die Erzieherausbildung nach zwei Jahren Ausbildung an der Berufsfachschule für Kinderpflege aufzunehmen, bleibt unberührt. Es wurde daher vereinbart, dass die Schulen den Einstieg in das erste Jahr des SPS letztmalig mit dem Schuljahr 2021/2022 anbieten können, d. h.
der letzte SPS-Jahrgang wird mit dem Schuljahr 2022/2023 auslaufen. Ab dem Schuljahr 2022/2023 wird an den Fachakademien für Sozialpädagogik ausschließlich als Vorbildungsweg für Personen mit mittlerem Schulabschluss das SEJ als Einstieg angeboten.

Mit einer Übergangsfrist sowie mit Unterstützungsmaßnahmen reagiert das StMUK auch auf die Bedenken und Sorgen der Schulen hinsichtlich der Beschulung eines doppelten Jahrgangs. Die Schulaufsichtsbehörden sind angehalten, die Schulen bei etwaigen Raumproblemen zu unterstützen und den vorübergehenden Mehrbedarf an Lehrkräften im jeweiligen Regierungsbezirk gemeinsam mit den Schulen zu organisieren.

Die Chancen, die sich aus der Verkürzung der Erzieherausbildung ergeben, stellen sich wie folgt dar: Künftig münden Personen mit mittlerem Schulabschluss über einen neuen und attraktiven Ausbildungsweg früher in das sozialpädagogische Arbeitsfeld ein. Der Lernort Praxis bleibt für diese Bewerbergruppe erhalten, sodass sie bereits zu Beginn der Ausbildung einen Einblick in eines der vielfältigen Arbeitsfelder von Erzieherinnen und Erziehern erhalten. Dadurch eröffnen sich auch für die Träger und Einrichtungen frühzeitig Möglichkeiten der Personalbindung, sie können
den Theorie-Praxis-Transfer vollziehen und sich selbst im Bereich der Nachwuchsgewinnung engagieren. Von einem SEJ würden insgesamt über 2.300 Schülerinnen und Schüler profitieren (Schülerzahlen im Schuljahr 2019/2020 für das 1. Jahr SPS).

  1. Direkter Zugang in die dreijährige Erzieherausbildung für Personen mit Fach-/Abitur sowie Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger

Direkt in die dreijährige Aufstiegsfortbildung können in Zukunft zwei Personengruppen einsteigen, sofern sie einen bestimmten Nachweis sozialpädagogischer Praxistätigkeit erbringen:

  • Personen mit Hochschulreife
  • Personen mit einem mittleren Schulabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung mit einer Regelausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren, die nicht mehr einschlägig sein muss.

D. h. Personen mit Fachabitur oder Abitur sowie Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger treten direkt in die dreijährige Erzieherausbildung ein; Die herkömmliche Ausbildungsform bietet somit die gleichen Ausbildungszeiten
für die oben genannten Personengruppen wie der Modellversuch „Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen (OptiPrax)“. Standortunabhängig und damit flächendeckend wird an den bayerischen Schulen ab dem Schuljahr 2021/2022 ein Direkteinstieg für diese Bewerbergruppen angeboten. Dieses Attraktivitätsmoment kann ebenfalls
einen Beitrag zur Fachkraftgewinnung leisten.

  1. Die praxisintegrierte Ausbildungsform als Regelangebot

Mit dem Modellversuch „Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen (OptiPrax)“ wird seit dem Schuljahr 2016/2017 erprobt, inwieweit eine Erzieherausbildung, in der die Praxis in die theoretische Ausbildung
integriert ist und für welche eine Vergütung bezahlt wird, die Ausbildung zur „Staatlich anerkannten Erzieherin“ / zum „Staatlich anerkannten Erzieher“ attraktiver macht. Darüber hinaus sollen auch andere Bewerbergruppen für die Erzieherausbildung gewonnen werden (z. B. Personen mit Fachabitur oder Abitur oder fachfremder Berufsausbildung sowie insgesamt mehr männliche Bewerber). Der Modellversuch wird im Schuljahr 2020/2021 an 24 von 68 Fachakademien für Sozialpädagogik durchgeführt.

Der Evaluationsbericht des ISB zeigt, dass über diese Ausbildungsalternative vor allem Personen mit Fachabitur oder Abitur, Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sowie allgemein mehr männliche Bewerber gewonnen werden konnten. Die Zielsetzungen, die mit der Einführung von OptiPrax verfolgt wurden, wurden erreicht. Die praxisintegrierte, vergütete Ausbildungsform ist attraktiv, zukunftsfähig und soll beibehalten werden: Bereits über 18 % aller Schülerinnen und Schüler der Erzieherausbildung werden über diese Ausbildungsform gewonnen (im Schuljahr 2019/2020 befanden sich 1.362 von insgesamt 7.473 Schülerinnen und Schülern im Modellversuch OptiPrax).

In der Konsequenz wird daher auch der Modellcharakter aufgehoben und diese Organisationsform der Ausbildung in das Regelangebot als sogenannte praxisintegrierte Ausbildung überführt. Ab dem Schuljahr 2021/2022 sollen die Fachakademien – sofern sie eine ausreichende Anzahl an Einrichtungen finden, die eine entsprechende Ausbildungsvergütung bezahlen (tariflich festgelegt sind das durchschnittlich ca. 1.200 Euro im Monat (TVAöD-Pflege)) – die praxisintegrierte Erzieherausbildung regulär und als Alternative zur herkömmlichen Ausbildungsform anbieten können.

Die Refinanzierung der Ausbildungsvergütung, Zeiten für Praxisanleitung sowie gegebenenfalls der Ausbau von Ausbildungsplätzen in den Praxiseinrichtungen spielen hier eine wichtige Rolle. Dabei ist zu beachten, dass die Finanzierung der entsprechenden Stellen in den unterschiedlichen Bereichen der Jugendhilfe unterschiedlich geregelt ist (Finanzierung auf Grundlage von Pflegesätzen, kindbezogene kommunale und staatliche Finanzierung auf gesetzlicher Basis). Daher werden diese Themenbereiche im „Bündnis frühkindliche Bildung“ des StMAS behandelt und mit den hierfür verantwortlichen Akteuren, wie den Tarifparteien und Trägerverbänden, diskutiert.

Bei der Zukunftsfähigkeit der praxisintegrierten Ausbildung ist ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen: Mit der Novellierung des Aufstiegsfortbildungsföderungsgesetzes (AFBG) können Studierende in der herkömmlichen Ausbildungsform künftig einen Vollzuschuss beantragen, der nicht zurückgezahlt werden muss (892 Euro Unterhaltsbeitrag für Ledige ohne Kind). Inwiefern sich daraus langfristig Konsequenzen für die Wahl zwischen herkömmlicher und praxisintegrierter Ausbildungsform (OptiPrax) ergeben, bleibt abzuwarten.

  1. Zusammenfassung und Ausblick

Für die Gewinnung zusätzlicher Interessentinnen und Interessenten sollte unbedingt sichergestellt werden, dass weiterhin für verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Ausbildungswege angeboten werden.

Alle dargestellten Maßnahmen gelingen im Einklang mit den einschlägigen Rahmenvorgaben der Kultusministerkonferenz, sodass weiterhin die Anerkennung der Ausbildung in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und die Zuordnung der Ausbildung zu Niveaustufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (DQR) sichergestellt ist.

Durch entsprechende Änderungen in der einschlägigen Schulordnung, der Fachakademieordnung (FakO), werden die dargestellten Maßnahmen bis zum Schuljahresbeginn 2021/2022 schulrechtlich überführt.

Wie in dem Landtagsbeschluss vorgesehen, wurden alle an der Ausbildung beteiligten Akteure in den Entwicklungsprozess eingebunden. Um den umfassenden Maßnahmenkatalog zu konkretisieren und im Detail
umzusetzen, sind weitere Termine für den Austausch in Planung.

Über die Erzieherausbildung hinaus werden seitens des StMUK zudem weitere Maßnahmen zur Gewinnung von pädagogischen Fach- und Ergänzungskräften im sozialpädagogischen Arbeitsfeld umgesetzt:

  • Mit dem Schulversuch „Pädagogische Fachkraft für Grundschulkindbetreuung“ wird seit dem Schuljahr 2019/2020 überprüft, inwieweit eine neue Fachschul-Fachrichtung mit eigenem – 8 – Berufsabschluss zur Gewinnung von pädagogischen Fachkräften im sozialpädagogischen Arbeitsfeld beitragen kann. Im Schuljahr 2020/2021 wird die neuartige Fachkraftausbildung bereits an neun Standorten angeboten.
  • Mit dem Schulversuch „Teilzeitausbildung in der Kinderpflege“ wird seit dem Schuljahr 2016/2017 erprobt, inwieweit durch eine Teilzeitausbildung an Berufsfachschulen für Kinderpflege auch andere Bewerbergruppen (z. B. Personen, die wegen der Erziehung und Betreuung der eigenen Kinder keine Vollzeitausbildung durchlaufen können) für die Ausbildung zur „Staatlich geprüften Kinderpflegerin“ / zum „Staatlich geprüften Kinderpfleger“ gewonnen werden können.
  • Das StMUK hat in den Schuljahren 2019/2020 und 2020/2021 zudem einen Schulversuch an den Fachakademien für Sozialpädagogik mit dem Ziel ausgeschrieben, „Staatlich geprüften Kinderpflegerinnen“ bzw. „Staatlich geprüften Kinderpflegern“, die vor dem 1. August 2011 im Abschlusszeugnis der Berufsfachschule einen Mindestnotendurchschnitt von 2,51 bis 3,0 erzielt haben, den Zugang zur Erzieherausbildung zu eröffnen. Dabei sollte erprobt werden, ob ein entsprechender Berufsabschluss dauerhaft einem mittleren Schulabschluss gleichwertig gemäß der KMK-Rahmenvereinbarung für die Fachschulen angesehen werden kann. In jedem Regierungsbezirk gab es eine Schule, die den zusätzlichen Unterricht angeboten hätte. Alle Schulen haben den Schulversuch in ihren kooperierenden Einrichtungen beworben. Dennoch konnte mangels ausreichenden Bewerberinteresses das Unterrichtangebot bisher nicht umgesetzt werden.

Das StMUK lässt nichts unversucht, um weitere Bewerberinnen und Bewerber für das Berufsfeld zu gewinnen und die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Sowohl im Sozialwesen als auch im gesamten Gesundheitswesen wird händeringend nach qualifiziertem Fachpersonal gesucht. In Anbetracht des Mehrbedarfs an pädagogischen Fachkräften kann jedoch allein über die Ausbildungsseite dieser Bedarf nicht gedeckt werden. Auch seitens des sozialpädagogischen Arbeitsfeldes müssen daher alle Anstrengungen unternommen werden, Alternativen der
Fachkräftegewinnung zu entwickeln und die Verweildauer im System sowie die Attraktivität des Berufs zu steigern. Um dies zu erreichen, führen das StMUK, das StMAS und das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (StMWK) in bewährter Weise ihre konstruktive Zusammenarbeit fort, um vielfältige Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung ergreifen zu können.