Der Fall Keller hat im letzten Jahr für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Die leistungsstarke Dach-PV-Anlage des Langenbacher Metzgermeisters wurde regelmäßig vom Netzbetreiber abgeschaltet, um eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern. Dabei war auch kein Eigenverbrauch des produzierten Stroms mehr möglich, sodass die Energie teuer zugekauft werden musste. Aus dem Vorzeigeprojekt wurde so ein Fallstrick für den Ruf der Energiewende. Dabei macht die Metzgerei Keller im Sinne der Energiewende alles richtig: Ein Großverbraucher erzeugt Strom auf dem eigenen Dach mit einer PV-Anlage und deckt so den Bedarf ab. Damit es in der Praxis reibungslos klappt, müssen die Probleme in der Netzinfrastruktur gelöst werden.

Auf Einladung des grünen Landtagsabgeordneten Johannes Becher kamen nun eine Vielzahl von Beteiligten an einen Tisch. Ziel war es, Lösungen zu finden und konkrete nächste Schritte zu besprechen. Aus der Politik nahmen die Abgeordneten Erich Irlstorfer (MdB CSU), Benno Zierer (MdL Freie Wähler) und Martin Stümpfig (MdL Grüne) teil.  Dabei konnten verschiedene Seiten, wie etwa das Überlandwerk Erding als direkter Netzbetreiber, der Netzbetreiber des vorgelagerten Hochspannungsnetzes, die Bayernwerk Netz, und der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, der Anlagenbetreiber selbst und der ihn betreuende Elektrofachbetrieb sowie Vertreter aus Bundes- und Landtag ihre Perspektive und die Herausforderungen, vor denen sie stehen, einbringen. In einem war man sich schnell einig: Es muss darum gehen, Wirtschaftsinteressen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und eine sichere Stromversorgung für alle in Einklang zu bringen. Deshalb sollten auch bei der Problemlösung alle Aspekte eine Rolle spielen. 

Die Bayernwerk Netz als vorgelagerter Netzbetreiber der Überlandwerke Erding gab einen Überblick, wie sich das Energiesystem in Bayern verändert: Mit der Transformation des Energiesystems von der zentralen Erzeugung mit konventionellen Kraftwerken hin zu Regionen als grünem Großkraftwerk mit mehr als einer halben Million wetterabhängiger, dezentraler Erzeugungsanlagen entstehen Herausforderungen für das Stromnetz. An das Bayernwerk-Netz sind Anlagen von groß bis klein mit einer Gesamtleistung von circa 18000 Megawatt erfolgreich angeschlossen. Die Hauptrolle in Bayern spielen PV-Anlagen. Der Ausbau-Boom der Erneuerbaren Energien bringt das Stromnetz an Kapazitätsgrenzen, da der Zubau von Erzeugungsanlagen, der Aufwuchs ausreichend großer Speicherkapazitäten an der richtigen Stelle und der erforderliche Netzausbau nicht synchronisiert sind. In den kommenden Jahren plant Bayernwerk Netz mit einer Wachstumsoffensive für Bayern mit Milliardenausgaben rund 1.000 Kilometer Hochspannungs- und 40.000 Kilometer Mittelspannungsleitungen zu ertüchtigen oder neu zu bauen. 

Warum genau wird die Dachanlage der Firma Keller abgeriegelt?  

Die Anforderung zur Abschaltung stammt in Langenbach überwiegend aus dem Höchstspannungsnetz. Es geht also nicht ausschließlich um lokale Engpässe, sondern auch um jene im EU-Gesamtnetz.  Wenn eine Umspannstelle überlastet ist, zum Beispiel jene bei Altheim, muss diese entlastet werden. Der örtliche Stromnetzbetreiber, in diesem Fall das Überlandwerk Erding, muss im sogenannten Redispatch-Verfahren erst große Anlagen abriegeln und dann kleinere. Grundsätzlich werden auch zuerst Anlagen ohne eigenen Stromverbrauch (Volleinspeiser) abgeregelt, bevor dann diskriminierungsfrei auch solche Anlagen mit der Nutzung von selbsterzeugtem Strom vom Netz genommen werden. Im Netz des Überlandwerks Erding gibt es nicht viele große Anlagen mit Volleinspeisung. Daher ist die Firma Keller häufiger betroffen, als dies in Netzen mit einem höheren Anteil volleinspeisender Freiflächenanlagen der Fall wäre. 

So verständlich der Schutz des Netzes vor Überlastung ist, um die allgemeine Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollte diese Notfallmaßahme nicht zu Lasten eines einzelnen Unternehmens gehen. Es besteht zwar ein Recht auf Entschädigungen für den nicht einspeisbaren Strom, wenngleich der deutlich größere wirtschaftliche Schaden dadurch entsteht, dass auch der Eigenverbrauch nicht mehr möglich ist und teurer Strom zugekauft werden muss. Auch hierfür wurde beim runden Tisch auf eine bestehende Lösung hingewiesen: Anlagenbetreiber können für den Eigenverbrauch eine sogenannte Nichtbeanspruchbarkeit im Redispatch-Fall anmelden. Denn das EU-Recht sagt, Eigenverbrauch wird privilegiert behandelt. Letztlich bleibt es dem zuständigen Netzbetreiber im weiteren Schritt offen, die gesamte Anlagenleistung zur Behebung eines Engpasses in die Regelungen einzubeziehen, wenn dies erforderlich ist. 
 
Im Gespräch mit den Teilnehmenden tat sich eine bessere Lösung auf, nämlich am Übergabepunkt auf Null abzuriegeln, so dass zwar Strom produziert wird, aber keiner ins Netz abgegeben wird. Dafür muss das Bundesgesetz geändert werde. Die Forderung am Einspeisepunkt abzuriegeln, wird auch vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft unterstützt. Bis entsprechende Änderungen in der Praxis durchgesetzt werden, wird die Firma Keller bei der Beantragung der Nichtbeanspruchbarkeit unterstützt. 

Ein weiteres Thema kam beim runden Tisch zur Sprache, mit dem niemand so recht glücklich ist. Es gibt aktuell keinen Landesbedarfsplan um Netzausbau, Speicheraufwuchs und EE-Ausbau zu synchronisieren. Private Leitungen werden quer durch den Landkreis gelegt, zu den Umspannwerken, die aktuell Kapazitäten haben. Abgeordneter Becher wird sich auf Landesebene dafür einsetzen, die Planung und Verteilung von Umspannwerken zu optimieren und klare landesplanerische Vorgabe zu geben. 

Nach zirka zwei Stunden produktivem Austausch waren die Beteiligten zufrieden mit den Ergebnissen. Konkrete weitere Schritte wurden vereinbart und auch Augustin Keller war optimistisch: „Wir sind heute gut weitergekommen. Ich bin zuversichtlich, dass das Thema Eigenverbrauch hiermit auf gutem Wege ist und auch in die Frage der Entschädigungen ist mehr Klarheit gekommen. Die ersten Zahlungen sind noch dieses Jahr zu erwarten.“ 

Johannes Becher zog Bilanz: 

„Der Erfolg der Runde gründet sich darauf, dass alle Beteiligten an einem Tisch saßen, Probleme klar benannt wurden, sowie verbindliche Lösungen erarbeitet wurden und Aufgabenpakete verteilt. Jetzt gilt es die To-Do-Liste abzuarbeiten. Ich möchte mich bei allen Beteiligten und vor allem auch bei meinen Abgeordnetenkollegen Martin Stümpfig, Benno Zierer und Erich Irlstorfer für die Teilnahme und die konstruktive Beteiligung über Fraktionsgrenzen hinaus bedanken. Und natürlich ganz besonders bei der Firma Keller, die mutig und genau richtig in die Energiewende investiert hat.“